Kultur und Wirtschaft stehen in
einem spannungsreichen Verhältnis zueinander. Nicht nur
operieren Marktakteure immer vor einem kulturellen
Hintergrund, und nicht nur haben alle Unternehmen eine mehr
oder minder stark ausformulierte Unternehmenskultur, sondern
es gilt auch: Heute verändert der Megatrend der
Globalisierung sowohl, was wir unter "Kultur" als
auch was wir unter "Wirtschaft" zu verstehen
haben.
Nichts ist wie früher:
Multinationale Unternehmen, Global Players oder
Welt-Aktiengesellschaften handeln heute zunehmend unter
Bedingungen, die durch ganz verschiedene ethnische,
politische, religiöse Kulturen geprägt sind. Die dabei
leitenden Wertvorstellungen, denen Unternehmen aus den
Vereinigten Staaten oder aus Europa sich etwa in den
Ländern Afrikas konfrontiert sehen, sind eben ganz andere
als diejenigen, mit denen dieselben Unternehmen z.B. in
China zu tun haben. Darüber hinaus sehen global tätige
Unternehmen sich auch vor der Notwendigkeit, die ihrer
eigenen Unternehmenskultur zu Grunde liegenden Werte mit
denjenigen der Gastgeberkulturen in Beziehung zu setzen.
Jeder Versuch, dies durch einen Wertimperialismus
auszuhebeln, kann letztlich nur zu einem nicht bloß
kulturellen, sondern auch ökonomischen Fiasko führen.
Gewiß, wirtschaftliches Handeln
war schon immer eingebettet in ein gesellschaftliches
Umfeld, eng verwoben mit den je gültigen Wertvorstellungen
und moralischen Maßstäben. Und auch heute kann es daher
von den kulturellen Vorgaben der es umgebenden Gesellschaft
nicht getrennt werden. Denn es bedarf der verläßlichen,
allgemein anerkannten Verhaltensregeln, die für jene
Stabilität zu sorgen haben, die als Grundvoraussetzung für
wirtschaftliche Prosperität angesehen werden muß. Dies
gilt vordringlich für weitgehend homogene Gemeinschaften,
in denen gegenseitige Verhaltenserwartungen stabilisiert
werden. Dadurch wird ein Klima des Vertrauens erzeugt, ohne
das eine Zusammenarbeit zwischen Menschen nicht vorstellbar
ist. Der frischgebackene
Wirtschaftswissenschaften-Nobelpreisträger A. Sen betont
daher zurecht: "The issue of trust is central to all
economic operations." Ohne Rekurs auf die moralischen
Ressourcen einer Gesellschaft können Unternehmen
"[...] ihre internen und externen Interaktionen nicht
effizient stabilisieren [...]."
Allerdings - und dies wird unter
den erwähnten Globalisierungsbedingungen besonders deutlich
- gilt auch, daß diese normativen Rahmenbedingungen nicht
beliebig zur Disposition der Unternehmen stehen. Denn alle
gesellschaftlichen Akteure zehren von den kulturell
eingespielten Verhaltensmustern jener nationalen oder
regionalen Kultur, aus denen sie stammen. Dies bedeutet,
daß ihre Organisationskulturen diese übergreifende Kultur
spiegeln ob sie es wollen oder nicht. So ist es
beispielsweise zum Verständnis der Corporate Identity einer
US-amerikanischen Firma immer auch notwendig, die in der
übergeordneten US-amerikanischen Kultur vorhandenen
Werthaltungen zu analysieren. Dies gilt in besonderem Maße,
wenn es sich bei diesen Firmen um Global Players handelt.
Denn die kulturelle Stabilität und Homogenität kann dort
nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden, wo
multinationale Unternehmen gleichzeitig in einer Vielzahl
von Kulturräumen aktiv sind und mit einer Pluralität von
Wertesystemen konfrontiert werden. Diese permanente
Konfrontation mit kultureller Differenz bedroht mit dem
ursprünglich homogenen Wertegebäude zugleich auch die
unternehmerischen Identitäten, die im Biotop geschützter
Einheitlichkeit gewachsen sind.
Dort, wo die Wertvorgaben sich
kulturell ausdifferenzieren, scheinen sie ihre
Steuerungsfähigkeit zu verlieren und werden dadurch in
Organisationen überhaupt erst als knappe Ressource
wahrgenommen. Zwar verführt die Globalisierung der
Ökonomie zu der Annahme, daß die kulturinvarianten Regeln
des Marktes dazu beitragen, so etwas wie eine weltweit
einheitliche Kultur herzustellen. Schon diese These der
einheitlich funktionierenden Märkte ist falsch, wie der
bereits erwähnte Amartya Sen ebenfalls konstatiert. Zum
anderen ist aber auch die weitere Annahme irreführend, daß
Globalisierung sich ohne regionalisierende Gegenbewegung
durchsetze. Marktwirtschaft als siegreich aus der
Konfrontation mit der Planwirtschaft hervorgegangenes
Erfolgsmodell in Europa ist eben etwas anderes als
Marktwirtschaft unter Bedingungen z.B. eines
antagonistischen Post-Apartheid-Systems.
Ein Festhalten an unveränderter
Übertragbarkeit der eigenen Unternehmenskultur in fremde
Kulturen führt zu Unsicherheit, Vertrauensverlust und
erzeugt so subeffizient arbeitende Organisationen.
Natürlich tauchen auch in weitgehend homogenen
Gesellschaften Wertkonflikte auf, diese werden im lokalen
Kontext jedoch durch formale Regeln aufgefangen, etwa in
Form der gesetzlichen Rahmenordnung. Im globalen Kontext
jedoch existiert ein solch formales Regelwerk nicht bzw. nur
in Ansätzen. Damit lastet auf Unternehmen der Zwang, den
Umgang mit kultureller Differenzen als eigene Aufgabe zu
verstehen. Die Lösung normativer Probleme durch Herstellung
transkultureller Kompetenz wird ganz offensichtlich zu einer
zentralen Managementaufgabe im transnationalen Raum.
Transkulturelle Kompetenz heißt Beschäftigung mit
Differenz. Diese Fähigkeit ist nur durch ein tiefes
Verständnis der fremden und der eigenen kulturellen
Vorgaben zu erwerben. Management im transkulturellen Raum
erhält so zwingend eine unternehmensethische Dimension im
Sinne eines Umgangs mit Werten und Wertesystemen und eine
kulturwissenschaftliche Dimension im Sinne einer
Beschäftigung mit kultureller Differenz. Wir sprechen daher
in diesem Zusammenhang von einem transkulturellen Management
von Werten (TMW).
Die Balance zwischen Identität und
Differenz als zentrale Aufgabe des TMW beinhaltet nun zum
einen die Anerkennung von Unterschieden und zum anderen die
Suche nach verallgemeinerbaren normativen Beständen
innerhalb dieser Differenz.
Global Players stehen damit vor der
Aufgabe, "(...) die kulturellen Differenzen in den
zugrundeliegenden Wertsystemen zu erfassen und zu erlernen,
um die eigenen Wertvorstellungen, die sich z.B. in
Verhaltenskodizes niedergeschlagen haben und die Identität
der Firma bestimmen, in die Kontexte anderer Kulturen zu
transformieren." Transkulturelles Wertemanagement dient
der Suche nach jenen Konsensinseln, die sich überall
verankern lassen, wo die Unternehmung aktiv ist und so eine
Basis für die Definition der Corporate Identity zu liefern
vermögen. L. Human weist zurecht darauf hin, daß ein
normativer Minimalkonsens nicht auf kulturelle Homogenität
angewiesen ist. "An organisation can consist of a
highly heterogeneous group of people in terms of race, sex
and national origins but who nevertheless share certain
values in common as well as a common commitment to
organisational goals."
Transnationale Unternehmen müssen
nun auf der Suche nach diesem fragilen Gleichgewicht von
Einheit und Differenz wenigstens drei Kulturebenen
integrieren:
Ebene 1: die gewachsene Kultur der
Unternehmung selbst (oder bei Fusionen die verschiedenen
unternehmerischen Kulturen);
Ebene 2: die zugrunde liegende(n)
nationalen Ausgangskulturen;
Ebene 3: die verschiedenen
Kulturen, über die sich das transkulturelle Netzwerk der
Unternehmung spannt.
Eine einheitliche Global Corporate
Identity wird es wohl kaum geben. An ihre Stelle treten
organisatorischer Arrangements, die einen gemeinsamen
Prozeß gegenseitigen kulturellen und moralischen Lernens
ermöglichen. Ein solcher auf Dauer gestellter Lern- und
Veränderungsprozeß kann aber nur dann erfolgreich sein,
wenn er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbindet, d.h.
entlang ihren Wertvorstellungen verläuft und so die
notwendige Motivation zur Teilnahme und Umsetzung sichert.
"Values are important because of their foundational and
motivational function in change processes." Zwischen
der Bereitschaft der Menschen in Unternehmen,
Veränderungsprozesse mitzutragen und der Anerkennung ihrer
je unterschiedlichen Wert- und Zielvorstellungen besteht
mithin ein enger Zusammenhang. Gerade unter den Bedingungen
einer permanenten Konfrontation mit kultureller Differenz
muß gelten, was der Philosoph Hans-Georg Gadamer fordert,
nämlich die "Möglichkeit ernst zu nehmen, daß der
andere etwas zu sagen hat". Die südafrikanische
Expertin für Diversity Management, Linda Human, betont
daher zurecht die Bedeutung des Verständnisses für und der
Anerkennung von Werten, die die Mitarbeiter aus anderen
kulturellen Kontexten in die Unternehmung einbringen: "The
management of diversity is ultimately about how I see myself
in relation to others and the value-judgements I place on
their behaviours and cultures."
Auf kognitiver Ebene könnte
dieser Lernprozeß etwa im Rahmen einer transkulturellen
Stakeholder-Analyse vorangetrieben werden. Der klassische
Stakeholder-Ansatz analysiert das Beziehungsnetz, in das
Unternehmen eingebunden sind. Ausgangspunkt ist dabei die
Überzeugung, daß unternehmerischen Interessen dort am
besten gedient ist, wo Konflikte vermieden und die
verschiedenen Anspruchsgruppen in ihren abweichenden
Interessen möglichst berücksichtigt werden. Die
Komplexität dieses Stakeholder-Netzwerkes steigt im
transnationalen Raum, wo vergleichbare Interessengruppen
(zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter)
unterschiedliche Reaktionen auf unternehmerische
Entscheidungen zeigen. Wert- und Interessenkonflikten lassen
sich dann am besten mit einem um die kulturelle Dimension
erweiterten Stakeholdermanagement einfangen.
Auf operativer Ebene gilt
es, Manager im Rahmen eines transkulturellen
Kompetenztrainings für Fragen des Wertemanagements zu
sensibilisieren. Selbstverständlich bedeutet dies zu einem
gewichtigen Teil, sie darin zu trainieren, kulturbedingte
Wertkonflikte zu erkennen und zu entschärfen. Wie bereits
betont ist es auf der Suche nach einer Global Corporate
Identity aber mindestens ebenso wichtig, kulturelle
Differenz als Wert und als Quelle unternehmerischer
Kreativität zu erkennen und so als Wettbewerbsvorteil zu
nutzen.
Dort, wo der Umgang mit Differenz
optimal organisiert wird, können Konflikte minimiert
werden, kann Vertrauen hergestellt und die Motivation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesteigert werden. Auf
strategischer Ebene gilt daher: Die Wechselwirkung zwischen
der bestehenden Unternehmenskultur, der unternehmenseigenen
Strategie und dem Human Ressource Management auf der einen
und den verschiedenen lokalen kulturellen Umwelten auf der
anderen Seite muß im unternehmerischen Entscheidungsprozeß
berücksichtigt werden.
Die normative Basis einer Global
Corporate Identity bildet dabei ein gemeinsamer
Verhaltenskodex, der kultureller Differenz gerecht wird,
aber zugleich jenen minimalen Wertekonsens beschreibt, ohne
den eine unternehmerische Identität nicht denkbar ist.
Dieser Prozeß kann zwar zentral angeregt werden,
Vereinheitlichung kann aber immer nur regional wachsen. Man
kann dies am Beispiel internationaler
Unternehmenszusammenschlüssen verdeutlichen: Daimler Benz
und Chrysler etwa stehen vor der gewaltigen Aufgabe, aus
zwei unterschiedlichen unternehmerischen Identitäten, die
in unterschiedlichen nationalen Kulturen gewachsen sind,
eine Einheit zu konstruieren. Diese architektonische
Leistung kann jedoch nur bewältigt werden, wenn die
verschiedenen nationalen Niederlassungen dadurch nicht
kulturell entwurzelt werden. Die Einheit muß entlang den
nationalen Besonderheiten geschaffen werden, wenn sie die
Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden soll.
"This balance between consistency and adaptation is
essential for corporate success." Hier hilft die
Metapher des "Übersetzens" weiter: "(...)
nur Imperialisten und Kolonialisten bewegen sich in anderen
Kulturräumen so, daß sie versuchen, diesen die eigene
Sprache aufzunötigen. Im Regelfalle wird besser fahren und
sich besser - auch in aller kulturellen Differenz - mit
anderen verständigen können, wer es auf sich nimmt, deren
Sprache zu lernen." Als ein großer US-amerikanischer
Konzern, wie man hört, vor einiger Zeit den eigenen Code of
Conduct an die deutsche Tochterunternehmung mit der
Anweisung faxte, das Papier zu übersetzen und zu
implementieren, wurde diese entscheidende Regeln nicht
beachtet.
Wir sind davon überzeugt, daß
kulturbedingte Differenzen in den verschiedenen
Wertesystemen, die von transnationalen Unternehmen zu
integrieren sind, eine der wichtigsten Herausforderungen
unternehmerischer Praxis darstellen, "(...) der sich
vermutlich in Zukunft nur mit einer verstärkten Ausbildung
in transkulturellem Management begegnen läßt."