Skizze
zu einigen weniger erwogenen Aspekten des
Verhältnisses von Kultur und Wirtschaft
1.
Kultur und Wirtschaft
"Kultur"
ist in unserem Denken gewöhnlich das Gegenteil der
"Wirtschaft"; der Unterschied wird als
"warm/kalt" benannt, oder "Geld/Idee"
usw. Künstler verachten die Wirtschaft, lassen sich aber
gerne gut bezahlen. Unternehmer/Manager schätzen die
"Kunst/Kultur", halten sie letztlich aber für
Spielerei, realitätsfern etc. Man trifft sich, um es in ein
Bild zu fassen, Sonntags, sonst aber nie.
Über
die Kosten und Finanzierung von Kultur bestehen folglich
gravierend unterschiedliche Einschätzungen. Künstler
betrachten ihre Kunst für wertvoll, einzigartig und
folglich für knapp, weshalb sie hoch bezahlt werden müsse.
Das ist, nebenbei, eine höchst ökonomische
Betrachtungsweise, welche die Künstler aber vehement
abstreiten würden. Unternehmer/Manager halten Kultur und
Kunst z.T. ebenfalls für wertvoll, bezahlen sie hoch, aber
auf das Bruttosozialprodukt berechnet für marginal, weshalb
die Gesamtsumme der Zahlungen klein bleibt. Diese Haltung
wird ergänzt durch die - gemeinsam geteilte - Auffassung,
daß der Staat die Lücke füllen müsse, weil Kunst/Kultur
schließlich "für alle" da sei und als
öffentliches Gut von der Öffentlichkeit getragen werden
müsse.
Diese
Verteilung bricht in dem Moment ab, in dem der Staat die
Zahlungen für das öffentliche Gut "Kultur"
reduziert. Nun müssen die Kulturschaffenden sehen, woher
sie das Geld bekommen und neue Formen der Kooperationen mit
"der Wirtschaft" eingehen, obwohl sie diese
eigentlich nicht goutieren. Man begibt sich auf unsicheres
Terrain, und die Unternehmen sind bereit, ins
Kultursponsoring zu gehen, wenn sie sich eine win/win-Situation
vorstellen können. Die Künstler dagegen stellen sich
weiterhin eine Zahlung für ihre hohe Qualität der
Kunst/Kultur vor und lehnen Nutzenkategorien ab. Die
Unternehmen sollen die Kunst/Kultur um ihrer selbst willen
finanzieren, nicht aufgrund von Nutzen, den die Unternehmen
daraus ziehen können.
Die
Mißverständnisse nehmen ihren Lauf. Die Vertragsstrukturen
sind unklar, weil die Erwartungen wechselseitig nicht
angepaßt sind. Das Hauptproblem ist die Differenz
öffentlich/privat. Die "Kultur" will als
Produzentin öffentlicher Güter privat finanziert werden;
die Unternehmen sind durchaus bereit, Kultursponsoring zu
betreiben, aber vor allem dann, wenn sie die Öffentlichkeit
der Kultur/Kunst für ihre spezifische Kundenöffentlichkeit
nutzen und privatisieren können.
Die
"Kultur" findet dieses Ansinnen dégoutant; man
will sich nicht "kaufen" lassen, sondern dafür
bezahlt bekommen, daß man freie und öffentliche
Kulturgüter produziert. Die Differenz ist nicht so groß,
wie sie ausgespielt wird: Beide - Kultur wie Wirtschaft -
sind an der Öffentlichkeitswirkung der Kunst/Kultur
interessiert, unterscheiden sich aber in den
Nutzungsinteressen.
Faktisch
verkauft die Kultur/Kunst ihre Leistungen immer schon gegen
Geld, und Tafelbilder wie Opernplätze und Quartettauftritte
gerne an den Meistbietenden. Die Kunst/Kultur ist immer
schon auf ihren Markt angewiesen gewesen; allein die
Staatsfinanzierung bzw. -subventionierung hat die Illusion
fördern können, daß man ohne die Wirtschaft auskäme.
Der
Unterschied des sponsoring besteht dann darin, daß nicht
mehr die Produkte "von der Wirtschaft" und ihren
Agenten gekauft werden, sondern daß eine Vorabfinanzierung
geschieht. Damit scheint die Gefahr einer besonderen Bindung
zu entstehen: Man produziere irgendwie für den, der zahlt.
Sponsoring heißt aber nicht, daß das Kulturgut nur an den,
der zahlt geht, sondern weiterhin an die Öffentlichkeit,
für die Kunst/Kultur gedacht war.
Sponsoring
ist eine Form der Mitnutzung der Kunst/Kultur in dem, was
sie auch ohne diese Mitnutzung leistet. Man vergißt, daß
das sponsoring auf die eigenständige Qualität der
Kultur/Kunstproduktion angewiesen ist. Ohne diese Qualität
würde das sponsoring gar nicht den Nutzen erbringen, für
den gezahlt wird. Man kann es auch so formulieren: Ein
sponsoring, das die Qualität der Kunst/Kulturproduktion
beeinträchtigen würde, würde sich selbst beeinträchtigen
in dem, was es vorhat.
Die
Sorge der "Kultur", daß sie sich durch engere
Kooperationen mit "der Wirtschaft" um ihre
Autonomie bringen würde, reflektiert nicht die spezifischen
Vertragsstrukturen, die das sponsoring - aus der Logik des
sponsorings selbst - an die Autonomie und Qualität der
Kunst/Kultur binden.
2.
Der Unternehmensraum der Kultur
Es
ist typisch, daß wir das Verhältnis von Wirtschaft und
Kultur zuerst auf ihre Marktbeziehungen hin prüfen. Daß
der Raum der Beziehungen viel größer ist, fällt meistens
kaum auf, weil man Wirtschaft sofort dem Klischee des
Marktes zuordnet oder weil man die Märkte nicht genauer
betrachtet. Ich schlage vor, das Verhältnis von Wirtschaft
und Kultur in drei Räume zu gliedern:
a)
Unternehmenskultur I ("Kunst als Dekor"),
b)
Kulturproduktion der Unternehmen I ("Werbung als
Kunst") und
c)
Kulturproduktion der Unternehmen II: "corporate culture"
(zugleich: Unternehmenskultur II).
a)
Unternehmenskultur I: Kunst als Dekor
Kultur
ist etwas, das sich Unternehmen nur manchmal, z.B. in
geringen Dosen bei Empfängen oder Betriebsfesten, zumuten.
Man greift dann auf klassische Streichquartette zurück, auf
"entertainment", hängt Bilder in Räume der
Unternehmung oder man wagt beim Bau der neuen Eingangshalle
eine "künstlerische Gestaltung". Kultur ist dann
der Kunstgeschmack der Vorstände, den die Mitarbeiter
aushalten müssen. Die Klischees, die hier vorgeführt
werden, sind das Abbild der Klischees, welche die
Unternehmen sich als "Kunst & Kultur"
zutrauen. Ausnahmen (z.B. Würth, Deutsche Bank etc.)
bestätigen die Regel.
Dieser
internen Kultur steht eine Neigung zur Unterstützung von
Kultur im "gesellschaftlichen Leben" gegenüber.
Unternehmen kümmern sich gewöhnlich um Kultur, indem sie
als sponsors auf den Kulturmärkten auftreten. Das hatten
wir bereits in Anspruch genommen. Kultur wird hier anderen
Stiftungs- und sponsoring-activities gleichgestellt. Die
Bevorzugung von Kultur, anstelle z.B. von Sport, beruht
entweder auf Neigungen von Vorständen/Unternehmern oder auf
strategischen Einschätzungen, das Unternehmen in den
Kontext von Kultur zu stellen, um an der Aura des
Kulturellen teilzuhaben.
Gesponserte
Musikfestivals oder Stiftungen für den Museumsausbau machen
anscheinend auf Kunden den Eindruck der Seriosität. Es ist
schwierig, den Eindruck zu vermeiden, daß die Unternehmen,
die in kulturelle Seriosität investieren, den Eindruck
haben, daß sie ihre Seriosität unterstreichen müssen. Man
kauft sich in eine Gegenwelt ein, um Legitimität zu
erwerben.
Oder
man sponsort Tourneen von music-bands, um der
"Jugend" zu zeigen, daß man sie versteht, ihre
Sprache spricht, ihre Bedürfnisse teilt etc. Man hofft
dadurch, life-style-Gemeinsamkeiten zu erzeugen. Die
Unternehmen wollen sich, und ihre Produkte, als "partners"
zeigen. Etc.
Es
sollen Anschlüsse produziert werden zwischen der Welt der
Unternehmen und der Kultur, die als Gegenwelt verstanden
wird. Lose Kopplungen sollen die Unternehmen in die
Lebenswelt integrieren, und zwar so, daß die Unternehmen
Unternehmen bleiben, in der Aura der angekoppelten Kultur
aber neu interpretiert werden. Kultur ist nunmehr das
gewählte Medium der Demonstration von Soziabilität.
Ausgangspunkt
dieser Aktivitäten ist die Trennung der Welten von
"Wirtschaft" und "Kultur". Man denkt -
auf beiden Seiten -, daß man im Grunde nichts miteinander
zu tun hat. Es geht nicht um Interpenetration, sondern um
Berührungen. Unternehmen berühren die Kunst oft so, wie
jemand, der einen Tropfen Wasser mit dem Finger aufnimmt, um
sich mit ihr zu schmücken (altbackene Variante) oder von
ihr Signifikanz zu besorgen (moderne Variante).
Die
Unternehmen "nehmen" sich Kultur, geben aber
keine. Eine Wechselwirkung wird als kaum vorstellbar
betrachtet. Wie kann "Kultur" den Unternehmen
etwas geben, was die Unternehmen nicht nur berührt, sondern
in sie eingreift? Ein solche Frage versteht man kaum. Das
Verhältnis von "Unternehmen" und
"Kultur" ist - ersteinmal - asymmetrisch.
public-relations
und sponsoring
Die
meisten dieser activities sind public-relations, d.h.
Darstellungen von Unternehmen in einem anderen Kontext, um
in ihrem eigenen (Marke, Absatz) positiver bewertet zu
werden. Kultur ist damit ein Spiegelmedium. Indem das
Unternehmen mit Kultur irgendwie in Verbindung gebracht
wird, hofft man, daß die Produkte des Unternehmens
irgendwie mit der kulturellen Aktivität des Unternehmens in
Verbindung gebracht werden. Die Verbindung bleibt hoch
kontingent.
Zwar
glaubt man im Unternehmen, daß man die Kultur als Medium
für die Steuerung von Kaufentscheidungen verwenden könne:
Die Produkte, die ein sich um Kultur sorgendes Unternehmen
verkauft, sollen legitimatorisch aufgeladen werden. Aber den
Nutzen, den man sich davon verspricht, kann man nicht
steuern, weil man die Kommunikation darüber nicht steuern
kann. "Kulturelle Aufladung" von Unternehmen - ob
in ihrer Werbung oder als sponsoring mit der Hoffnung
indirekter Wirkung - hat keine kausalen Effekte.
Meistens
sind die Kultursponsoring-Aktivitäten viel zu kurzlebig,
als daß sie nachhaltige Wirkungen entfalten können. Oft
sind sie nur auf einen kleineren Teil der potentiellen
Kundschaft ausgerichtet. Zudem unterschätzen Unternehmen
möglicherweise die Investitionen, die sie auflegen müßten,
um nachhaltig und stetig ihren Kulturkontakt zu bestätigen.
Es ist oft schlicht zu wenig, um als effektiver Förderer
von Kultur zu gelten.
Man
hat ja im Grunde keine Kulturförderungsstrategie, sondern
mehr nur den Wunsch, an Kultur, die gerade begehrt ist, zu
partizipieren. Es geht nicht um "Kunst und Kultur an
und für sich", sondern um jene, die gerade en vogue
ist, an der den man partizipieren kann, weil andere sie
schätzen. Die Grundfinanzierung der Kultur, an der man
partizipieren will, soll woanders geleistet werden: vom
Staat, von anderen Unternehmen. Überhaupt beteiligen sich
Unternehmen nur an solchen Kulturaktivitäten, die
erfolgreich sind. Wenn man davon ausgeht, daß solche
Kulturaktivitäten selber unternehmerisch betrieben werden,
haben wir es beim Kultursponsoring oft mit
business-to-business-Aktivitäten zu tun. Anders als beim
klassischen Mäzenatentum, das die Kunst/Kultur um ihrer
selbst (und um seiner selbst) förderte, ist das
Kultursponsoring auf Nutzenbeteiligung ausgerichtet, was
voraussetzt, daß die Kultur, an der man sich dann
beteiligt, selber nutzenstiftend auftritt.
b)
Kulturproduktion der Unternehmen I: Werbung als Produktion
von Kunst
Die
Kulturproduktion der Unternehmen geschieht dann, wenn
Unternehmen eine Form der Werbung wählen, die ich als
"life-style-art" bezeichne. In modernen
Mischstilen: Bild, Ton, Wort, Text, Farben, Film, Video,
Musik werden bebilderte "short-stories" erzählt,
die imaginäre Welten eröffnen. Über die Referenzebene der
imaginären Welt werden Produkte neu plaziert bzw. mit der
Kontextsemantik der imaginären Welt aufgeladen.
So
produzieren Unternehmen "life-style-stories", die
ich für die effektivste Form der Kunst und Literatur halte,
welche die "modern worlds" hervorgebracht haben.
Diese "life-style-art" kann nicht in Büchern z.B.
gesondert abgedruckt werden, weil sie selbst wiederum im
Kontext anderer "short-storie steht, die sich ergänzen
und komplettieren. Jede diese "short-stories"
steht im Rahmen (frame) eines erweiterten, und schnell sich
wandelnden, "life-style"-Musters.
Gewöhnlich
kaufen Unternehmen dieses "life-style-art" von
Werbeagenturen. Sie lassen die Konsumenten in die
imaginären Welten eintreten, treten selber aber nicht ein.
Erst wenn das Unternehmen beginnt, sich mit seiner
"story" zu identifizieren, haben wir es mit einer
"corporate culture" zu tun, die Mitarbeiter wie
Kunden in der gleichen imaginären Welt auftreten läßt.
Dazu kommen wir gleich; hier geht es um die Produktion von
Kunst, die Unternehmen betreiben.
Unternehmen
"nehmen" nicht nur Kultur, sondern produzieren sie
selber. Wir sind durch die übliche
"Zwei-Welten-Lehre": hier Wirtschaft, dort Kultur,
gehindert, die einflußreiche Kunstproduktion der
Unternehmen wahrzunehmen, weil die Form der Kunst sich
gewandelt hat und nicht mehr unserem abendländischen Schema
entspricht. Wenn wir aufgeben, Kunst als Ergebnis
hochspezialisierter und genietheoretisch individualisierter
Experten zu betrachten (Autoren, Maler etc.) - nur was die
genialische Imprimatur trägt, sei Kunst -, und anerkennen,
daß wir es bei den Werbeagenturen mit - wiederum
hochspezialisierten – Ateliers zu tun haben, in denen
Autorenteams das gesamte abendländische Formen- und
ästhetische Potential verwerten, um fraktale Kunst neu
herzustellen, dann erahnen wir die Dimension, in der heute
Literatur und Kunst im wirtschaftlichen Bereich betrieben
werden. Wir haben uns längst an diese hybriden Formen der
Kunst gewöhnt, hinken lediglich mit unseren
Interpretationsmustern hinterher.
Als
Medium für Umsatzförderung ist diese "neue
Kunst" nur deshalb geeignet, weil sie eigene Formen und
Inhalte entwickelt, die auch unabhängig vom Kauferlös
akzeptiert werden. Sie ist keine Verkaufskunst, sondern
Kunst, die Verkauf fördert. Das gelingt ihr nur durch ihre
eigen Form der Authentizität, durch ihr Spiel mit den
Träumen und Bedeutungen, die in der Gesellschaft lagern,
und die sie professionell herausarbeitet. Sie ist die
realistische Kunst unserer Zeit; ihre realia sind die
unerfüllten Wünsche, die Traumzeitprojektionen, kurzum:
die Geschichten, die man leben möchte. Die gelungene
Werbung ist die, welche die Produkte, die sie anbietet, als
Elemente der Welt verkauft, die sie erzählt. Werbung ist
dann kein Medium, um ein Produkt zu verkaufen, sondern die
Produkte sind Elementarteilchen der erzählten Welt; ihr
Kauf bestätigt, das diese Welt existiert und daß man in
ihr tatsächlich leben kann.
c)
Kulturproduktion der Unternehmen II: corporate culture
(zugleich: Unternehmenskultur II)
Unternehmen
produzieren Kultur nicht nur nach außen, sondern auch nach
innen. Was früher noch etwas altväterlich als
Unternehmenskultur betitelt wurde: eine "corporate
identity" oder "corporate culture"
herzustellen, wird heute, ohne diesen Namen, aber faktisch
dort vollzogen, wo die Reorganisation flache Hierarchien,
flexible Projektorganisation und stärkere Markt- und
Kundenorientierung hervorbringt. Die Arbeits- und
Leistungsmentalität ändert sich, die Mitarbeiter
kommunizieren miteinander und mit dem management. Hier
ändert sich effektiv die Kultur des Unternehmens.
Die
Änderung der zukünftigen Arbeit besteht vornehmlich darin,
den Anforderungen einer flexiblen, schnellen und
marktgeführten Leistungsabgabe gerecht zu werden.
Entscheidungen werden auf diejenigen verlagert, die
marktunmittelbar operieren. Das bedeutet mehr
Selbständigkeit der Mitarbeiter, oder, um es zu pointieren:
Ihre unternehmerische und manageriale Qualität und
Kompetenz wird steigen. Es werden neue
Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeiter gestellt
werden: 1. neue Anforderungen an die Qualität von
Management. 2. neue Anforderungen an Projektorganisation und
Teamarbeit:
1.
Wenn die Reorganisation der Unternehmen erhöhte
Anforderungen an die Selbständigkeit (intrapreneurship) der
Mitarbeiter stellt, ändert sich die Managementaufgabe, da
die Manager nicht mehr die hierarchisch einzig berechtigten
Entscheidungsträger sind. Manager werden eher Moderatoren
von Prozessen der Selbständigkeit. Ihre Fähigkeit wird
dann darin gesehen, die Kompetenz der Selbständigkeit an
Mitarbeitern auszubilden und ihre alle Rolle des
Entscheiders effektiv zu delegieren.
2.
Projektarbeit/Projektmanagement bricht mit den
traditionellen Erwartungen der Berufshaftigkeit der Arbeit
und der Konstanz der Aufgabenerfüllung. Projekte werden
transdisziplinär zusammengestellt: man setzt die
Kompetenzen, die für die spezifische Projektaufgaben nötig
sind, neu zusammen. Und für jedes Projekt wieder neu.
Projektarbeit bedeutet: Wechsel der Aufgaben, der
Tätigkeiten innerhalb der Organisation. Dieser Wechsel der
Aufgaben erfordert andere Kompetenzen, als wenn man
lebenslang immer dieselbe Arbeit ausführt. Es ist eine
spezifische Form der Flexibilität, die in neue
Organisationen eingeführt wird.
Zugleich
ist die Projektarbeit immer auch Teamarbeit. Teamarbeit
bedeutet Kommunikation. Teams definieren, marktorientiert,
selbständig neue Aufgaben, die sie bearbeiten. Die
Koordination, welche die Organisation früher durch
Hierarchie steuerte, muß selbständig geleistet werden,
aber nicht individuell. Das Team ist dann effektiv, wenn es
alle seine beteiligten Kompetenzen ausschöpft. Man muß die
individuellen Ansprüche zurückstellen können zugunsten
der Leistungsfähigkeit des Teams. Teamarbeit stellt neue
Anforderungen an die Selbstdisziplin und an die soziale
Kompetenz.
Auf
der Mitarbeiterebene werden wir es mit drei Grundtypen zu
tun bekommen:
1.
die Kompetenz für technische Kommunikation. Natürlich wird
es auch hier, wie überall, starke Ausdifferenzierungen
geben. Aber im Kern werden das Leute sein, die
Softwarebedienung beherrschen, gleichgültig, ob sie damit
Produktions- oder Dienstleistungsprozesse bedienen.
2.
die Kompetenz für menschliche Kommunikation. Dazu gehören
alle Mitarbeiter, die unmittelbar kunden- oder
marktorientiert arbeiten. Was wir heute als Verkauf und
Distribution bezeichnen, wird nicht eine Abteilung unter
vielen sein, sondern die gesamte Organisation durchziehen.
3.
die Kompetenz, beide Kompetenzen mischen zu können.
In
allen Fällen, und damit ziehe ich zwischendurch eine neue
Konsequenz, haben wir es mit der Umstellung von Produktion
auf Kommunikation zu tun. Die Orientierungen der
Organisation von Organisationen ändern sich: das ist die
Quintessenz der Ändrung der Arbeitsgesellschaft. Wir
beginnen - ich sage beginnen, weil wir tatsächlich erst am
Anfang stehen -, Arbeit nicht mehr als festgefügte
Organisation mit festgelegten Arbeitstätigkeiten anzusehen,
sondern als Verflüssigung der Organisation, die sich - in
ihren Teilen, zum Teil aber auch als Ganze - ständig neu
koordinieren, erfinden und reorganisieren muß, um sich
immer wieder neuen Marktgegebenheiten anpassen zu können.
Natürlich wird weiterhin produziert, werden Leistungen
erstellt, aber die Art und Weise, wie das geschieht, muß
ständig kommuniziert werden. Und zwar durch die ganze
Unternehmung, nicht allein durch das Management. Bei
beschleunigten Marktreaktionen sind die Manager und
Unternehmer sehr viel mehr als zuvor auf das Wissen ihrer
Mitarbeiter, die unmittelbar im Markt stehen, angewiesen.
Man
nennt dies einen "cultural change" in den
Unternehmen; die Unternehmenskultur ändert sich. Meistens
wird das in der Managementtheorie gar nicht mehr unter dem
Stichwort der Unternehmenskultur abgehandelt (ein Topos der
80-iger Jahre). Dennoch produziert das Unternehmen unter den
Bedingungen seiner eigenen Änderung neue Formen der
Unternehmenskultur. Das hat nichts - oder scheinbar nichts -
mit der "Kultur" zu tun, die außerhalb der
Unternehmen verortet wird, gleichsam als Kontrastprogramm
zur Welt der Wirtschaft.
Dennoch
können wir festhalten, daß Unternehmen 1. eine
Unternehmenskultur herausbilden, die sie 2. gestalten
können. Das sind lapidare Aussagen mit hoher Signifikanz
für die Kultur einer Wirtschaftsgesellschaft: Unternehmen
bilden, indem sie ihre Unternehmenskultur ausbilden, Kultur
aus. Man beachtet dies gewöhnlich nicht oder kaum. Aber die
Unternehmen bilden ihre Mitarbeiter in Umgangs- und
Kommunikationsweisen (civilization), Haltungen und
Einstellungen aus, die durchaus prägend sind.
Manchmal
spricht man zwar von der "Kunst des Managements",
meint es aber dann so metaphorisch, daß für die Kunst
wenig übrigbleibt, dafür sehr viel Management. Wenn
Manager Künstler sind, dann keine Autoren, Darsteller,
sondern eher Dirigenten eines Orchesters oder Choreographen
eines Balletts (oder Regisseure eines Films). Doch stimmt
diese Analogie nicht mehr ganz; sie ist zur sehr auf eine
hierarchische Organisation abgestimmt, mit autoritativen
Chefs im Mittelpunkt. Die Kompetenz der Mitarbeiter,
selbständig zu arbeiten und zu entscheiden, kann weder in
einem Orchester noch in einem Ballett vorkommen, in dem eine
strenge Regie geführt wird. Wenn es um die Änderungen der
Unternehmenskultur geht, von den wir oben sprachen, haben
wir es eher mit einer "jazz-band" zu tun, die
Improvisationen ihrer Mitglieder erwartet. Wenn wir die
Differenz zu einer streng organisierten Opernaufführung
oder einer orchestralen Symphonie anmerken, merken wir
zugleich, daß zwischen klassisch hierarchischen
Unternehmensorganisationen und Kunstunternehmungen wie der
Oper oder dem Orchester engere Beziehungen bestehen, als man
gewöhnlich aus der Entgegensetzung von
"Kunst/Kultur" und "Wirtschaft"
entnehmen kann. Die "perfectio", die eine
Opernaufführung erreichen soll, oder die Aufführung von
Mahlers 1. Symphonie, erfordert anscheinend ähnliche
Mittel, wie man sie in den älteren
Unternehmensorganisationen für selbstverständlich hielt.
Erst dann, wenn die Akteure der Oper oder der Symphonie in
irgendeiner Weise auf Regungen der Zuhörer subtil und
direkt eingehen würden, hätten wir einen Zustand erreicht,
welcher der oben skizzierten neuen
Unternehmensorganisationsform entsprechen würde. Das aber
läßt die Vorstellung des Arrangements und der Leitung der
Oper wie des Orchesters nicht zu. Klassische
Kunstdarbietungen definieren die Qualität der Kunst durch
die Produktion, wie klassische Unternehmen. Eine Art
"Kundenorientierung", welche die
"Kunden" nicht nur befragt, sondern sogar
mitentscheiden ließe ("prosuming"), ist in diesem
bildungsgenerierenden Kunstverständnis ausgeschlossen.
Es
geht hier nicht darum, die Bedeutung und Intention der Kunst
zu beleuchten, sondern die Produktionsweisen und
"Kundenbeziehungen" anzureißen. Die
Kunstproduktionen und der Kulturbetrieb sind vom Markt nicht
abgekoppelt, sondern wie andere Unternehmen auch stark daran
orientiert, die potentielle Nachfrage zu bedienen.
Die
Kunst hat den Vorteil, weil sie "Kunst" ist, auch
dann Geltung zu erlangen, wenn sie völlig "neu"
auftritt. In der Differenz zu anderen Produktionen kann sie
den "Reiz des Neuen" in Nachfrage transformieren,
weil das "Publikum" dann nicht nur mit dem "Genuß
von Kunst" beschäftigt ist, sondern Teilhaber einer
Avantgarde wird, was für den Status der Kunstliebhaber hohe
Bedeutung haben kann. Man kauft dann nicht nur Kunstkonsum,
sondern soziale Reputation, ohne selber Künstler sein zu
brauchen.
Sehen
wir die Kunst als Koordinationsleistung von potentiell
eigensinnigen Akteuren, dann ist das übertragbar auf das
Management von Unternehmen, außer mit dem Unterschied, daß
die Vorstände gewöhnlich keine besondere Irritation durch
ihre Mitarbeiter erfahren; Regisseure und Dirigenten schon.
Kunstproduktionen
im Kulturbetrieb sind durch eine Art von Chaos-Management
gekennzeichnet, für die viele Manager der gewöhnlichen
Unternehmen nicht präpariert sind. Deswegen kann auch
klassisches Kunstmanagement ein Modell bieten für die
Ausbildung von Managementfähigkeiten, wie sie in
dynamischen Unternehmen wohl gebraucht, aber selten
trainiert werden. Unternehmensberater machen sich das zu
nutze, indem sie Managern anbieten, in Seminaren
"Kunst" zu machen, andere Wahrnehmungsweisen zu
erlangen und selber in kreativen Bereichen tätig zu sein.
Neue
Relationen gewinnen
Wenn
sich Unternehmen und Kunst auf diese beschriebene Weise
begegnen, ist die alte europäische Entgegensetzung von
Wirtschaft und Kunst überflüssig geworden, weil man eine
gemeinsame Dimension gefunden hätte, in der man sich
gleichförmig bewegen kann. Wenn man den Punkt erreicht, an
dem die Gegensetzung von Wirtschaft und Kultur in Frage
gestellt wird, ist man an einen Punkt gelangt, an dem die
bisherige Auffassung von Kultur, in welche die Gegensetzung
wie selbstverständlich hinzugehören schien, sich ändert.
In diesem Sinne wäre dann die Wirtschaft an der Entwicklung
von Kultur beteiligt.
Wenn
"die Kultur" nicht mehr Sorge hätte, von der
Wirtschaft bemächtigt zu werden, und wenn "die
Wirtschaft" ihre Geringschätzung von Kultur (Ausnahmen
immer ausgenommen) aufgeben könnte, weil sie in einem Maße
von ihr "lernen" kann, wie sie es niemals zuvor
einschätzte, dann haben wir eine neue Kultur, zumindest in
diesem Relationenfeld. Nichts spricht dafür, daß das
automatisch gelänge. Indem wir aber unsere
Betrachtungsweisen und mentalen Schemata zu ändern
beginnen, gewinnen wir wechselseitig neue Perspektiven
aneinander und lösen ein wenig das "selbstgesponnene
Bedeutungsgewebe" auf, das Clifford Geertz als
"Kultur" bezeichnet.